Mit folgendem Nachschlagewerk versuchte ich dieser Frage auf den Grund zu gehen:
Duden, Helbig Buscha Grammatik
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Duden, Helbig Buscha Grammatik
Die Beantwortung Ihrer Frage ist Teil eines Forschungsprojekts zur Verständlichkeit von grammatischen Erklärungen. Wir bitten Sie deshalb darum, im Anschluss an die Lektüre der Antwort die Tools zur Bewertung (Fragebogen, Sternchenfunktion, Antwortoption) zu nutzen.
Sprachsystem
Ihre Frage betrifft die Struktur der Nominalgruppe und die Genitivendung der Substantive Verband und Deutschland. Bei Ihrem Beispiel handelt es sich um eine Nominalgruppe im Genitiv (des Humanistischen Verband/s/es), wie am Artikel des erkennbar ist. Dabei wird diese Nominalgruppe noch von einem Genitivattribut (Deutschland/s) zu Verband erweitert:
des (Artikel)Um die Struktur nochmal zu verdeutlichen, platzieren wir ein Substantiv im Nominativ als Kern davor (der Vorstoß) und erhalten folgende Beziehungen (dabei illustrieren die Pfeile, auf welche Nominalgruppe sich das jeweilige Genitivattribut bezieht):
Humanistischen Verband/s/es (Nominalgruppe im Genitiv)
Deutschland/s (Genitivattribut)
http://de.share-your-photo.com/img/7f38b45daa.png
Die Struktur der Nominalgruppe zeigt, dass also sowohl das Substantiv Verband als auch das Substantiv Deutschland im Genitiv stehen und dementsprechend eine Genitivendung aufweisen müssen.
Substantive werden entweder stark oder schwach dekliniert oder bleiben endungslos:
die Sache – der Sache (endungslos)Die starke Deklination mit der Endung -s im Genitiv ist dabei der Normalfall für Substantive mit Genus Maskulinum oder Neutrum. Bezüglich der Kennzeichnung des Genitivs am Substantiv gibt es laut Dudengrammatik jedoch folgende Schwankungen: Eine endungslose Form kann je nach Satzumgebung auftreten, z.B. wenn der Genitiv bereits am Artikel wie in ihrem Beispiel markiert ist:
das Schiff – des Schiffs / der Kreis – des Kreises (stark)
der Mensch – des Menschen (schwach)
des Humanistischen VerbandDies spricht also zunächst für eine endungslose Form bei Verband und eine Form mit Endung bei Deutschland, da für Deutschland in Ihrem Fall kein Artikel existiert, der den Genitiv markiert. Wenn der Genitiv bereits an einem Artikel wie des erkennbar ist, wird eine Endung auch weggelassen (Tendenz zur Monoflexion). Bei artikellosen Eigennamen wie in Ihrem Beispiel Deutschland stehe laut Duden Band 4 hingegen die kurze Endung -s:Berlins eleganteste Einkaufsstraße (Beispiel aus Duden Band 4 Artikel 310)
Außerdem können im Genitiv bei der starken Deklination sowohl die kurze Endung -s als auch die lange -es auftreten:
des TriebesAus Korpusrecherchen der Dudenredaktion (Duden Band 4 „Die Grammatik“ Artikel 304) geht hervor, dass unter anderem die Anzahl der Silben eine Rolle spielen kann: Einsilbige Wörter wie Trieb erhalten häufiger die lange Endung -es, während zweisilbige Wörter mit Betonung auf der ersten Silbe wie Entwurf häufiger zur kurzen Endung -s tendieren. Dies spricht wiederum für Verbands anstelle von Verbandes.
des Entwurfs
Das Institut für deutsche Sprache in Mannheim hat zu diesem Thema bereits intensiv geforscht. Wir möchten im folgenden Abschnitt aufgrund der bestehenden Schwankungen ebenfalls Daten aus dem Sprachgebrauch zur Beurteilung heranziehen.
Sprachgebrauch
Die Analyse des Sprachgebrauchs anhand des Korpus COSMAS II vom Institut für deutsche Sprache in Mannheim zeigt folgendes Verhältnis:
Substantiv Verband Substantiv Deutschland des Verband: 238 Treffer des (Substantiv) Deutschland: ca. 1.995 Treffer* eines Verband: 50 Treffer des (Substantiv) Deutschlands: 104 Treffer des Verbands: 21.143 Treffer des (Substantiv) Deutschlandes: 0 Treffer eines Verbands: 183 Treffer des Verbandes: 68.851 Treffer eines Verbandes: 1.016 Treffer *Aufgrund falscher Ergebnisse, die das Korpus zeigt, jedoch nicht von uns gesucht werden, müssen hier auf 50 Treffer ca. 8 Treffer herausgerechnet werden.Zunächst gilt festzuhalten, dass bis auf die lange Endung beim Substantiv Deutschland alle Varianten auftreten. Entgegen unserer vorherigen Herleitungen überwiegt die endungslose Form trotz der Artikellosigkeit. Dies kann jedoch unterschiedliche Gründe haben, die nicht zwangsläufig mit unserer Fragestellung in Verbindung stehen, denn es kann sich bei den Treffern sowohl um das gesuchte, attributive Verhältnis handeln als auch um ein appositives:
des wichtigsten Automobilherstellers Deutschlands (Deutschlands = Genitivattribut)Ein weiterer Grund für das Auftauchen der endungslosen Form könnte darin liegen, dass Sprecher damit versuchen die Grundform, wie sie z.B. auf der Homepage eines Verbands als Bezeichnung für sich selbst auftauchen würde, abzubilden:
des Sozialstaates Deutschland (Deutschland = Apposition)
des Sozialverband Deutschland anstatt des Sozialverbands DeutschlandsDie endungslose Variante beim Substantiv Verband tritt hingegen vergleichsweise zu ihren konkurrierenden Formen deutlich seltener auf; es überwiegt die Variante mit der langen Endung gegenüber jener mit der kurzen Endung. Dies entspricht folglich ebenfalls nicht der Hypothese aus der sprachsystematischen Analyse.
(Der Verband nennt sich Sozialverband Deutschland.)
Beide Ergebnisse weisen also die starken Schwankungen im Bereich der Genitivendungen bei Substantiven nach. Die folgenden Beispiele liefern uns nochmal einen ausführlicheren Blick darauf, wie unterschiedlich sich die beiden Substantive in Kombination verhalten können:
„Der Präsident des Sozialverbands Deutschlands berichtet in Berlin über das „Armutsrisiko Erwerbsminderung“. (BRZ11/AUG.03059 Braunschweiger Zeitung, 08.08.2011.)
„Das hat eine Studie des Center for Real Estate Studies im Auftrag des Immobilienverband Deutschlands (IVD) ergeben.“ (HAZ11/FEB.00259 Hannoversche Allgemeine, 05.02.2011.)
„Im Restaurant „Zum Ferienpark“ in Lahnstein findet […] die Weihnachtsfeier des Sozialverbandes Deutschlands, Ortsverband Koblenz-Lahnstein, statt.“ (RHZ11/NOV.31982 Rhein-Zeitung, 28.11.2011, S. 15.)
„Das zeigt der aktuelle Wohnpreisspiegel des Immobilienverbands Deutschlands (IVD).“ (NUN12/SEP.02726 Nürnberger Nachrichten, 26.09.2012, S. 1.)
„Der Ortsverband Flachstöckheim des Sozialverbands Deutschland ehrte für zehn Jahre Mitgliedschaft“ (BRZ10/JAN.11063 Braunschweiger Zeitung, 26.01.2010.)
„Kai Bursie, Leiter des Sozialverbandes Deutschland (SoVD) in unserer Region, kritisiert [..].“ (BRZ10/FEB.01077 Braunschweiger Zeitung, 03.02.2010.)
„[…]freut sich Edda Schliepack, Erste Vorsitzende des Kreisverbands des Sozialverband Deutschland (SoVD) […]“ (BRZ10/AUG.03146 Braunschweiger Zeitung, 09.08.2010.)
Sprachsystem
Eigentlich ist für die Genitivendung bei Substantiven die Flexionsklasse ausschlaggebend, die Beispiele bestätigen jedoch die oben bereits aufgeführte Hypothese, dass es bei Vorhandensein eines Artikels im Sinne der Tendenz zur Monoflexion zur Endungslosigkeit kommen kann.
Für den Verzicht der Flexion bei Deutschland gibt es sprachsystematisch keine nachvollziehbare Erklärung, wie bereits der Duden Band 4 zeigt. In den Beispielen wie des Sozialverbands Deutschland entsteht eine Missverständlichkeit, denn diese Nominalgruppe erweckt den Eindruck, Deutschland sei ein Sozialverband.
Diese Missverständlichkeit entsteht dadurch, dass Deutschland ohne Endung als Apposition im Nominativ gelesen werden kann, also gleichrangig mit dem Wort Verband betrachtet wird:
des Humanistischen Verband/s/es DeutschlandEin Genitivattribut ordnet sich hingegen dem Bezugswort unter und spezifiziert dieses:
Humanistischer Verband = Deutschland
des Humanistischen Verband/s/es Deutschlands
= der Humanistische Verband von/in Deutschland
Fazit
Die Wahl zwischen kurzer, langer oder keiner Endung unterliegt im Genitiv von Substantiven starken Schwankungen. Dies bestätigt unsere Analyse des Sprachgebrauchs, nach der zwar die Varianten des Verbandes und Deutschland überwiegen, jedoch alle erdenklichen Varianten bis auf Deutschlandes auftreten. Dementsprechend ist es Ihnen überlassen, für welche Endungen Sie sich entscheiden. Überprüfen Sie jedoch für sich selbst, dass die ausgewählte Variante nicht wie des Sozialverbands Deutschland missverständlich erscheint.
Der eingetragene Verein führt die Bezeichnung „Humanistischer Verband Deutschlands” (HVD). Diese offizielle Bezeichnung darf im Prinzip nicht verändert werden – ausser gebeugt.
http://www.humanismus.de/sites/human...and%202011.pdf
Im Genitiv:
des „Humanistischen Verbandes Deutschlands”