Geändert von Lars Bepler (04.10.2016 um 22:19 Uhr)
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Sprachsystem
Ihre Frage betrifft die Unterscheidung zwischen grammatischem und natürlichem Geschlecht. In Ihrem Beispiel bezieht sich das nachfolgende Pronomen ihrer/seiner auf das Substantiv Mädchen. Pronomen sind in den grammatischen Kategorien Person, Numerus und Genus auf das Substantiv abgestimmt, auf das sie sich beziehen (dies bezeichnet man als Kongruenz). In den meisten Fällen ist die Anwendung dieser Regel unproblematisch:
der Vater spielt mit seinem SohnIn Ihrem Fall entsteht jedoch eine Konkurrenz zwischen grammatischem Geschlecht (Genus) und natürlichem Geschlecht (Sexus). Genus und Sexus sind nicht immer identisch:
die Mutter spielt mit ihrer Tochter
das Pferd, die Schildkröte, der PapageiDas Genus beim Substantiv gibt uns also keine Informationen zum natürlichen Geschlecht. Bei Personenbezeichnungen gibt es jedoch häufig eine Übereinstimmung zwischen grammatischem und natürlichem Geschlecht:
der Vater, der Onkel, der Sohn, der Mann, der JungeDies ist der Grund dafür, weshalb Sprecher in einem solchen Fall wie das Mädchen zweifeln. Die Regel zur Kongruenz bezieht sich auf das Genus und nicht auf das Sexus. Neben grammatischer Kongruenz gibt es jedoch auch eine Sinnkongruenz.
die Mutter, die Tante, die Tochter, die Frau
(1) Das Mädchen war gerne bei seiner Großmutter.Im ersten Fall (1) folgt ein Sprecher der grammatischen Kongruenz, er stimmt folglich Bezugswort und Pronomen aus grammatischer Perspektive aufeinander ab. Im zweiten Fall (2) folgt ein Sprecher der Sinnkongruenz, er stimmt folglich Bezugswort und Pronomen aus semantischer Perspektive aufeinander ab (Mädchen bedeutet, dass es sich um ein weibliches/feminines Kind handelt).
(2) Das Mädchen war gerne bei ihrer Großmutter.
Da es sich bei grammatischer Kongruenz und Sinnkongruenz um zwei verschiedene, legitime Formen von Kongruenz handelt, obliegt die Entscheidung Ihnen, ob Ihnen die grammatische Abstimmung der Wörter aufeinander wichtiger ist oder die semantische. Beide Varianten treten im Sprachgebrauch auf; man vermutet, dass sich die Tendenz zur Sinnkongruenz mit zunehmendem Abstand zwischen Bezugswort und Pronomen verstärkt:
Das Mädchen besucht Max Mustermann, den es für einen angemessenen Gesprächspartner hält. Sie betritt die Wohnung und schüttelt ihm die Hand.
Geändert von Lars Bepler (10.06.2017 um 20:29 Uhr) Grund: Unterscheidung zwischen grammatischem und natürlichem Geschlecht
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