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jüliche oder jülichsche Herrschaft
Wie ich auf die Frage gestoßen bin:
Dissertation
Mit folgendem Nachschlagewerk versuchte ich dieser Frage auf den Grund zu gehen:
ja, Duden und Wahrig
Schönen guten Tag,
im Rahmen meines Dissertationsprojektes bin ich in der Literatur sowohl auf die Formulierung "jüliche" als auch "jülichsche" Herrschaft gestoßen. Das Ganze dann auch noch wahlweise groß oder klein geschrieben. Manchmal steht auch "jülich'sche" dort.
Lässt sich anhand von Regeln herleiten, wie es richtig ist?
Viele Grüße von Paula
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Adjektivbildung
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Sprachsystem
Durch Ihre Frage thematisieren Sie die Adjektivbildung in Bezug auf jüliche/jülichsche. Im Allgemeinen können Adjektive auf sehr unterschiedliche Weise gebildet werden. Für Ihr Beispiel schauen wir uns die Ableitung von Adjektiven aus Nomen an (= Derivation). Um aus einem Nomen ein Adjektiv zu bilden, wird an das Ende des Wortstamms eine Nachsilbe (Suffix) angehängt. So kann aus dem Nomen Herz durch das Suffix -lich das Adjektiv herzlich entstehen. Der Wortstamm von Jülich endet aber bereits auf -lich, weswegen ein anderes Suffix für die Adjektivbildung gefunden werden muss, eben weil es ansonsten zur Dopplung jülichlich käme. Wichtig ist daher die Information, dass es sich bei Jülich (als Nomen) um einen Eigennamen handelt. Diese Gruppe der Nomina bezeichnet meist ein bestimmtes Individuum, kann aber auch – wie beispielsweise hier – ein bestimmtes Herzogtum (das Herzogtum Jülich) aus der Gruppe der Herzogtümer hervorheben. Typisch für Eigennamen ist, wie auch in Ihrem Beispiel, die Adjektivbildung durch das Anhängen des Suffixes -sch.
Wir wechseln nun von dem Sprachsystem (der Grammatik) hin zu der RECHTSCHREIBUNG:
Der „Rat für deutsche Rechtschreibung“ formuliert zu Fällen wie Ihrem (§62): „Kleingeschrieben werden adjektivische Ableitungen von Eigennamen auf –(i)sch, außer wenn die Grundform eines Personennamens durch einen Apostroph verdeutlicht wird, ferner alle adjektivischen Ableitungen mit anderen Suffixen.“
An Beispielen veranschaulicht, sieht die Regel wie folgt aus:
eine freudsche Fehlleistung vs. eine Freud’sche Fehlleistung
das ohmsche Gesetz vs. das Ohm’sche Gesetz
die jülichsche Herrschaft vs. die Jülich’sche Herrschaft
In Bezug auf Ihr Beispiel hat die zweite Variante (Jülich’sche Herrschaft) den Vorteil, dass die sprachlich ansonsten eher unübliche Buchstabenverbindung von <ch> und <sch> durch einen Apostroph leichter zu lesen und damit zu verstehen ist.
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Herzlichen Dank für die ausführliche und verständliche Antwort. Ich entnehme diesen Ausführungen allerdings, dass die "Jülicher Börde" eigentlich "Jülich'sche Börde" heißen müsste. Sehe ich das richtig?
Viele Grüße von Paula
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Jülich’sche/ Jülicher Börde
Vielen Dank für Ihr Feedback. Widmen wir uns nun also Ihrer Nachfrage bezüglich Jülich’sche bzw. Jülicher Börde:
Um Ihnen noch einmal in Erinnerung zu rufen:
„Im Allgemeinen können Adjektive auf sehr unterschiedliche Weise gebildet werden. Für Ihr Beispiel schauen wir uns die Ableitung von Adjektiven aus Nomen an (=
Derivation). Um aus einem Nomen ein Adjektiv zu bilden, wird an das Ende des Wortstamms eine Nachsilbe (
Suffix) angehängt. So kann aus dem Nomen
Herz durch das Suffix
-lich das Adjektiv
herzlich entstehen.“
Anknüpfend an die vorherige Antwort, bleiben wir zunächst einmal bei dem Beispielwort Herz. Zuvor konnten wir zeigen, wie durch das Anhängen einer Nachsilbe, eines Suffixes, das Adjektiv herzlich gebildet wird. Nun ist es so, dass Herz auch mit dem Suffix -haft kombiniert werden kann (herzhaft). Zwar ändert sich – auf dieses Beispiel bezogen – die Wortbedeutung, doch man kann daraus Folgendes entnehmen: Bei der Ableitung eines Adjektivs aus einem Nomen, also der Derivation, ist man nicht immer auf ein bestimmtes Suffix festgelegt.
Auf eben solche adjektivischen Ableitungen wie Jülicher ausgelegt, schreibt der „Rat für deutsche Rechtschreibung“ (§61): „Ableitungen von geografischen Eigennamen auf -er schreibt man groß.“
Diese Regel impliziert, dass das Adjektiv Jülicher als Ableitung von einem geografischen Eigennamen verstanden wird. Neu ist hieran folglich der geografische Aspekt: Sowohl Jülich’sche als auch Jülicher lassen sich von dem Herzogtum Jülich, einem Eigennamen, ableiten. Versteht man die Jülicher Börde vollständig als einen Eigennamen für eine Landschaftsbezeichnung wie z.B. die Mecklenburger Landschaft, so verdeutlicht die Bildung auf -er, dass es sich – im Gegensatz zu Jülich’sche Herrschaft – um einen geografischen (!) Eigennamen handelt.
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Auch für diese Antwort vielen lieben Dank! Jetzt habe ich es verstanden.
Hilfreich ist auch der Hinweis auf den Rat für deutsche Rechtschreibung. Davon hatte ich vorher noch nie etwas gehört.
Viele Grüße von Paula
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die jülichsche Herrschaft
Falsch: die Jülich’sche Herrschaft. Weshalb?
Wenn der Namensteil eine Dynastie bezeichnet, entscheidet sich Herr Duden für die Kleinschreibung:
die konstantinische Wende
die karolingische Minuskel
die ottonische Buchmalerei
In geschichtlichen Werken wird diese Regel übernommen:
die davidische Dynastie
die augusteischen Säkularspiele
die oktavianische Propaganda
die ernestinischen Herzogtümer
das jülichsche Geschlecht
die jülichsche Herrschaft
Zum Herzogtum Jülich gibt es nur den historisch festen Begriff "Jülich'sche Fehde" für einen Erbfolgestreit (1539-1543), der natürlich grossgeschrieben werden muss. Vgl. auch: der "Nassauische Domänenstreit" (1821); das "Salische Erbrecht" (= die Lex salica). In diesen Fällen spielt es im übrigen auch keine Rolle, ob die Dynastie oder das geografische Herzogtum gemeint ist.
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Guten Tag, Grammatikus,
vielen Dank für den Beitrag.
Wenn ich es richtig verstanden habe, entscheidet Herr Duden sich aber nur für die Kleinschreibung, wenn kein Apostroph verwendet wird. Wird apostrophiert, wird es groß geschrieben (siehe oben):
jülichsche Herrschaft oder Jülich'sche Herrschaft
Deshalb passen die angegebenen Beispiele meiner Meinung nach auch nicht, weil dort - ausgenommen "das jülichsche Geschlecht" und "die jülichsche Herrschaft" - immer die Endung "isch" verwendet wird. Vor "isch" würde man kein Apostroph setzen (ich jedenfalls nicht, lasse mich aber gerne korrigieren).
Viele Grüße von Paula
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Meine Antwort ist gründlich recherchiert und klar formuliert.
1) Das Adjektiv lautet ja auch nicht "jülichische", sondern "jülchsche".
2) Meine Antwort ist gründlich recherchiert und klar formuliert.
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Guten Tag, Grammatikus,
wenn die Antwort so klar formuliert gewesen wäre, hätten sich keine Fragen ergeben! Die Gründlichkeit der Recherche ist leider nicht nachvollziehbar, da keine Referenzquellen angegeben wurden. Ich erkläre noch mal, warum ich (anschließend an die mit Referenzquellen versehenen Ausführungen von Frau von der Heiden) anderer Meinung bin.
1) Ja, das Adjektiv von "Jülich" lautet "jülichsche" (nicht jülchsche), wie Frau von der Heiden schrieb, wird dort kein "lich" angehangen, sondern lediglich ein "sch", um die Doppelung von "lich" zu vermeiden. "Jülichisch" fällt, so vermute ich, belegen kann ich es nicht - ich bin Historikerin und keine Sprachwissenschaftlerin, wegen der Aussprache weg (falls jemand dazu noch eine Erklärung hätte, würde es mich auch interessieren). Wir sind uns aber schon einmal einig, dass es "jülichsch" heißen muss.
2) Genau deshalb sind
die konstantinische Wende
die karolingische Minuskel
die ottonische Buchmalerei
die davidische Dynastie
die augusteischen Säkularspiele
die oktavianische Propaganda
die ernestinischen Herzogtümer
in diesem speziellen Fall als Beispiele meiner Meinung nach als Beleg nicht geeignet. Diese Wörter werden mit dem Suffix "isch" gebildet und nicht nur mit "sch".
3) Nach § 97 E des Regelwerks kann man ein Apostroph "zur Verdeutlichung der Grundform eines Personennamens vor der Genitivendung -s oder vor dem Adjektivsuffix -sch" setzen. Das Setzen dieses Zeichens vor dem Suffix "isch" ist demnach nicht vorgesehen (daher sind die Beispiele unter 2) nicht einschlägig).
4) Gleichwohl gilt meiner Meinung nach der - ebenfalls von Frau von der Heiden zitierte - § 62 des amtlichen Regelwerks des Rats für deutsche Rechtschreibung:
„Kleingeschrieben werden adjektivische Ableitungen von Eigennamen auf –(i)sch, außer wenn die Grundform eines Personennamens durch einen Apostroph verdeutlicht wird, ferner alle adjektivischen Ableitungen mit anderen Suffixen.“
Insbesondere vor dem Hintergrund der Punkte 3) und 4) verstehe ich nicht, warum "Jülich'sche Herrschaft" falsch sein soll. Nach § 97 E Regelwerk darf ich dort ein Apostroph setzen. Das hat die Folge der Geltung des § 62 Regelwerk, wonach nicht kleingeschrieben wird, "wenn die Grundform eines Personennamens durch ein Apostroph verdeutlicht wird".
Viele Grüße von Paula
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