Was ist korrekt?
Ich belege ein Seminar bei Herr XY.
oder
Ich belege ein Seminar bei Herrn XY.
Was ist korrekt?
Ich belege ein Seminar bei Herr XY.
oder
Ich belege ein Seminar bei Herrn XY.
Sprachsystem
Das Wort Herr gehört zu den schwach flektierten Substantiven mit Genus Maskulinum, d. h. in allen Kasus außer dem Nominativ Singular wird die Endung –(e)n angehängt.
Singular Plural Nominativ (der) Herr (die) Herren Genitiv (des) Herrn (der) Herren Dativ (dem) Herrn (den) Herren Akkusativ (den) Herrn (die) Herren
In Ihrem Beispiel geht dem Herr(n) die Präposition bei voraus, die den Dativ fordert. Korrekt wäre demnach Ich belege ein Seminar bei Herrn XY.
Sprachgeschichte
Besonders bei den schwachen Maskulina macht sich derzeit die allgemeine Tendenz zum Abbau von Flexionsendungen bemerkbar. Während es früher noch heißen musste Die Prinzessin küsst den Prinzen, hört und liest man heute zunehmend so etwas wie Die Prinzessin küsst den Prinz_. Das hängt offenbar damit zusammen, dass manche Sprecher/Schreiber meinen, der Kasus (in diesem Fall der Akkusativ) werde durch den Artikel (den) ausreichend deutlich, so dass die zusätzliche Kasusendung am Substantiv „doppelt gemoppelt“ und damit überflüssig sei (Tendenz zur Monoflexion, d. h., dass der gemeinsame Kasus innerhalb einer Wortgruppe nur einmal ausgedrückt wird). Insofern werden heute auch Konstruktionen wie dem Prinz oder den Prinz immer seltener als Fehler erkannt und bewertet.
Im Fall von Herr ist dieser Schwund der Flexionsendungen noch nicht so stark ausgeprägt, was wiederum damit zusammenhängen könnte, dass man vor Namen (und im Fall von bei Herr(n) XY ist Herr ja Bestandteil eines Namens) normalerweise keinen Artikel setzt. Mit anderen Worten: Innerhalb der Wortgruppe bei Herr(n) XY ist Herr das einzige Wort, das die Kasusendung tragen kann, also muss es sie auch tragen, d. h. das Dativ-n muss angehängt werden.
Sprachgebrauch
Der Anteil von bei Herr XY ist in den bundesdeutschen Zeitungen des IDS-Korpus, die den standardsprachlichen Gebrauch widerspiegeln, verschwindend gering: Nur zehnmal ist es dort belegt (= 0,7 % gegenüber 99,3 % bei Herrn XY) und dann meist nur in elliptischen Konstruktionen, z. B. Infos bei Herr Petry, Tel. [...].
Gibt man die betreffenden Varianten dagegen bei Google ein, so schneidet bei Herr XY besser ab: 333.000 Funde sind dort verzeichnet – von Forumsbeiträgen bis hin zu Bekanntmachungen von Fachhochschulen. Allerdings verwendet die FH bei Herr XY auch nur in einer Überschrift, während im folgenden Textabschnitt bei Herrn XY steht.
Beispiel
Vorlesungsausfall bei Herr L.
Am 07.04.2011 und 14.04.2011 fallen die o.g. Veranstaltungen bei Herrn L. aus.
Insgesamt ergibt eine Google-Suche aber nach wie vor wesentlich mehr Treffer für bei Herrn XY (1.890.000 = 85 %) als für bei Herr XY (333.000 = 15 %).
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